Zugfestigkeit von 3D-gedruckten Bauteilen

Beitrag von Prof. Dr. Joachim Günther, Juni 2022

Aktuell werden in Projektarbeiten an der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München die Einflussparameter auf die mechanische Zugfestigkeit von 3D-gedruckten Bauteilen untersucht. Ein 3D-gedrucktes Bauteil wird schichtweise aufgebaut und mit einer Waben- bzw. Gitterstruktur im Inneren gefüllt. Somit sind nur die Außenflächen des Bauteils aus Vollmaterial. Deshalb unterscheiden sich gedruckte Bauteile in ihren physikalischen Eigenschaften von konventionell gefertigten Bauteilen aus Stahl oder Kunststoff. Entscheidend ist dabei, dass viele Druckparameter die Eigenschaften des Bauteils beeinflussen und dass diese Parameter variabel über die Drucker-Software einstellbar sind. Beispiele für diese Parameter sind etwa Drucktemperatur, die Fülldichte im Bauteilinneren, die Anzahl der Wandlinien, welche die Stärke der Bauteilwände definieren, Druckgeschwindigkeit, Schichtdicke und Art des Filaments.

Im Rahmen einer Umfrage unter Fachleuten, welche sich mit 3D-Druck beschäftigen,  wurde anfangs eruiert, welche Parameter möglicherweise einen starken bzw. schwachen Einfluss auf die Zugfestigkeit der Bauteile haben. Anhand der Befragungsergebnisse wurde eine Priorisierung der Untersuchungsparameter abgeleitet.

Zudem wurden geeignete Bauteile ausgewählt. Es kristallisierten sich drei Bauteil- bzw. Verbindungstypen heraus, die getestet wurden bzw. werden – die Flachzugprobe (eine Schwalbenschwanzverbindung und eine Gabel-Zugstange-Verbindung). Um reine Zugkräfte zu testen, sind Flachzugproben sehr gut geeignet.

Abbildung 1: Flachzugprobe mit 60% Fülldichte

Die ausgewählten CAD-Bauteile wurden in die Druckersoftware Ultimaker Cura überführt, die daraus unter Berücksichtigung der Druckparametereinstellungen des Benutzers ein druckfähiges Bauteil kalkuliert. Es wurde für die Zugversuche immer dieselbe Bauteilgeometrie gedruckt, z.B. die Flachzugprobe, und dabei immer nur ein einzelner Parameter abgewandelt. Hierzu wurde auf vier Drucker des Learning Lab “Digital Technologies” zurückgegriffen, alle vom selben Modell, Renkforce 100v2. Beispielsweise wurden über 20 Flachzugproben gedruckt, jeweils mit einem abgewandelten Parameter bzw. teils auch identisch, um die Druckergenauigkeit und Wiederholgenauigkeit zu testen.

Im Anschluss wurden die gedruckten Flachzugproben im Zugversuch getestet und Charakteristika wie Spannung, Dehnung, Maximalkraft und Bruchbilder wurden miteinander verglichen. Die verwendete Zugmaschine war eine Zwick/Roell Z100 im Labor der FK03.

Abbildung 2: Zugprüfmaschine Zwick/Roell Z100
Abbildung 3: Flachzugstab eingespannt in der Zugprüfmaschine

Anhand der Ergebnisse aus den Zugversuchen lassen sich Aussagen über die Stärke des Einflusses der Druckparameter auf die Zugfestigkeit ableiten.

Abbildung 4: Diagramm der vier Flachzugproben mit je unterschiedlicher Fülldichte

Einen starken Einfluss hat z.B. die Fülldichte, die Anzahl der Wandlinien und die Wahl des Filaments.

Im Folgenden wird ein konkreter Untersuchungsablauf und die Ergebnisse am Beispiel des Parameters „Fülldichte“ dargestellt:

  1. Geometrie und Material der Zugprobe: Flachzugprobe aus schwarzem PLA-Filament der Firma BASF, gedruckt auf dem Renkforce 100v2. (Abbildung 1)
  2. Untersuchter Einflussparameter: Die Fülldichte der Zugproben: 20%, 40%, 60%, 80%
  3. Zugprüfstand: Prüfstand eine Zwick/Roell Z100 im Labor der FK03. (Abbildung 2 & 3)
  4. Versuchsdaten: Für jeden Zugversuch ergibt sich im Fall der Zugstäbe eine Spannungs-Dehnungs-Kurve, wie in Abbildung 4 dargestellt. Der höchste Punkt der Kurve entspricht der maximalen Spannung Sigma , die das Bauteil ertragen kann. Diese maximale Spannung ist direkt proportional zur mechanischen Zugfestigkeit Rm. A ist die konstante Querschnittsfläche der Zugprobe. Der mathematische Zusammenhang lautet: Rm=Sigma/A
  5. Ergebnisse: Anhand von Abbildung 4 ist zu erkennen, dass die Fülldichte einen positiven Einfluss auf die Zugfestigkeit (proportional zur Spannung zum Zeitpunkt des Bruches) der Flachzugprobe hat. Der Zusammenhang ist nicht linear. Erwartet wurde ein linearer Zusammenhang zwischen maximaler Spannung und Fülldichte.
    Die Abweichung kann daran liegen, dass es Störfaktoren beim Drucken und ggf. auch bei den Messungen gibt. Eine Annahme ist der Störfaktor Wärmespannung beim bzw. unmittelbar nach dem Druck, wenn das Filament abkühlt. Dadurch kommt es zu unterschiedlich starkem Bauteilverzug, der teilweise mit dem bloßen Auge erkennbar ist. Somit steht das Bauteil beim Einspannen in die Zugmaschine bereits unter geringer Eigenspannung. Diese Biegespannungen sind im Wesentlichen Biegespannungen, die das Bauteil zusätzlich beanspruchen.

Weitere Versuche sollen den Zusammenhang zwischen Maximalspannung und Fülldichte nochmals vertiefen und die Versuchsergebnisse werden mit ähnlichen Untersuchungen anderer Forscher in Beziehung gesetzt.

Learning Lab „Digital Technologies“ beteiligt sich an Covid-19 Maskenproduktion

Das Learning Lab “Digital Technologies” hat sich zusammen mit Studierenden an der Covid-19 Maskenproduktion beteiligt. Basierend auf dem Learning Lab Stream „Print your own world“, welcher Studierenden den 3D Druck vermittelt, wurden Studierende mit einem 3D Drucker dazu aufgerufen, Gesichts- und Mundschutzmasken zur Bewältigung der Corona-Krise zu drucken. Ein von Learning Lab zu Verfügung gestelltes Lernvideo ermöglicht einen schnellen Einstig in die Massenproduktion:

3D Druck einer Gesichtsmaske

Insgesamt beteiligten sich mehrere Studierende unterschiedlicher Fakultäten an der Aktion.

Jochen Göltenboth, Student an der Fakultät für Tourismus, hat sich eine Maske gedruckt (Foto: Jochen Göltenboth)
So sieht die fertige Gesichtsschutzmaske nach dem Druck aus (Foto: Fabio D’Antino)